
Das noch wildere Island...
- Ich befinde mich aktuell noch in der Region Vesturland im Ort Búðardalur mit 256 Einwohner. Ungefähr 90km von meinem heutigen Ziel Djúpidalur (Zeltplatz) entfernt. Auf dem Weg dorthin komme ich an einer einzigen Stelle vorbei, die nach Zivilisation aussieht. Ein Gebäude mit der Aufschrift Hotel Bjarkalundur, mit einem Stellplatz für Camper und ein paar Cottages. Dazwischen einfach nur karge isländische Landschaft. Im Unterschied zu bisher scheint hier die vulkanische Aktivität jedoch schon länger vorbei zu sein. Die leichten Hügel sind mit niedriger Vegetation bewachsen.
- Auf den letzten Kilometer wechselt die Strasse auf Gravel und führt über einen kleinen Pass, um den Weg der Küste entlang, zu sparen. Meine Beobachtung ist, dass unbefestigte Strassen jeweils das Gelände eher mit mehr Steigung resp. Gefälle bewältigen. Das ist auch hier der Fall. Die Strasse in das Tal, in dem sich Djúpidalur befindet, ist wirklich sehr steil. Ein Strassenschild kennzeichnet den Abzweiger von der Strasse her, der zu dem Hof führt. Nur leider kann keinen Campingplatz ausmachen. Auch scheint niemand zu Hause zu sein. Erst als ich wieder zurück zur Strasse fahre, entdecke ich anhand eines Wohnwagendaches, dass sich der Stellplatz hinter einer Aufschüttung befindet. Stellplätze mit Kunstrasen, ein Servicegebäude mit WC/Dusche und Abwaschbecken. Zudem ein Gebäude, durch das man beim Durchblick durch ein Fenster, ein kleines Hallenbad erblickt (geheizt durch die nahegelegene heisse Quelle). Alles, wie es Google Maps versprochen hat. Ein handgeschriebener Zettel an der Tür zum "Schwimmbad" orientiert auf Isländisch über die Platzordnung, Tarife und Kontakt-Telnummer.

- Alles in allem wirklich ein flauschiger Platz zum Übernachten. Die sanitären Anlagen sind sehr sauber und laden mich gleich zu einem Duschgang ein. Etwas später fährt ein PW auf das Gelände. Ein deutsches Paar mittleren Alters. Tauschen uns kurz aus, dann machen sie sich daran ihr Zweier-Zelt aufzubauen. Plötzlich taucht ein Quat auf, sportlich chauffiert von einem vielleicht 14-jährigen Jungen. Er spricht mit den beiden Deutschen und verschwindet dann wieder. Offenbar wir der Platz aus der Ferne beobachtet. Jedenfalls wurden die beiden Deutschen angewiesen, nicht auf der Wiese das Zelt aufzustellen. Ich erfahre, nach meinem Nachfragen, dass der Besitzer am Abend vorbeikommen wird. Aktuell seien sie am Zusammentreiben der Schafe. Später kommt auch noch das Quad mit dem Bauern-Paar vorbei und kündigt an, dass der Bauer in einer halben Stunde vorbeikommt, zum Einkassieren. Ich mache mir schon Gedanken, ob wohl nur Barzahlung geht. Hätte ich Pech. Aber falsch überlegt, der Bauer hat ein mobiles Kartenterminal dabei.

- Mein heutiges Ziel einen Zeltplatz in 90km Entfernung. Mache mich also auf für den Fjordslalom, nachdem ich einen Spaziergang taleinwärts dem Bach entlang unternommen habe. Ein kurzes Stück ist noch Gravel und führt über einen Pass zum nächsten Fjord. Das erste Fahrzeug und erste Mensch, dem ich heute begegne, sind ein VW-Camper mit Luzerner Kontrollschildern.
- Die Strasse führt, mehr oder weniger, der Küstenlinie entlang. Zeitweise reisst die Wolkendecke auf und Sonnenstrahlen treffen auf das Meer und zeichnen einen silbernen Schimmer auf die Meeresoberfläche, während eine schneebedeckte Gebirgskskette den Hintergrund bildet.

- Der anvisierte Zeltplatz hat bereits geschlossen. Es scheint, dass einzelne Plätze bereits die Saison beenden. Ich entschliesse mich, die Westfjorden gleich zu durchqueren an die Nordseite. Dort liegt der Hauptort, Ísafjörður, 2'730 Einwohner.
Ein guter Entscheid, wie sich gleich zeigen wird. Was mich nach einem steilen Aufstieg über eine geteerte Strasse erwartet, ist das Eindrücklichste, was mir bisher in Island passiert ist. Gleich nach dem Pass wird der Blick frei auf ein Szenario mit ganz mystischem Licht. Es ist sehr düster, nur im Hintergrund sind blaue Flecken des Himmels zu sehen. An den Berghängen kleben Nebelschwaden. Bei der Weiterfahrt wird der Blick frei in den Fjord. Ein kleiner Fluss bahnt sich den Weg durch das moosbewachsene Geröll. So sah es wohl auf der Erde aus, als es noch keine Menschen gab.
(Foto-Blog Quer durch die Westfjorden)
- Bis zu meinem Tagesziel wechselt die Strasse immer wieder von geteert auf Gravel. Die Landschaft bleibt in etwa gleich. Die Westfjorden scheinen ein Tafelgebirge zu sein, an dem die Erosion seit Millionen von Jahren nagt. So sind die vielen Fjorde entstanden und erklärt auch, warum es keine eigentlichen Gipfel gibt. Um nicht dem Küstenverlauf zu folgen sind an zwei Stellen, Tunnel gebaut worden. Der erste Tunnel ist neu und gut ausgebaut und beleuchtet. Beim Zweiten bin ich etwas überrascht, ist er doch nur einspurig. Diese Art von Tunnel habe ich schon auf den Lofoten angetroffen, aber nicht in dieser Länge (9'100m). Was machen, wenn ein Fahrzeug entgegenkommt? Was ich bemerke: es hat zirka alle 200m eine Ausweichbucht. Nun, so viele Fahrzeuge sind mir heute noch nicht begegnet. Es könnte also klappen. Tut es nicht. In der ferne kommt mir ein Doppellicht entgegen. Das Abschätzen der Distanz ist in einem schwach beleuchteten Tunnel schwierig. Höchste Konzentration. Abschätzen, ob es noch bis zur nächsten Ausweichbucht reicht. 100m Rückwärtsfahren in einem Tunnel? Lieber nicht. Die Lichter kommen immer näher. Plötzlich weichen die Lichter nach links aus. Offenbar weicht also mein entgegenkommendes Fahrzeug in eine Bucht aus. Fahre vorbei und bedanke mich mit einer Lichthupe. Ein weiteres Licht taucht auf und das Verhalten ist dasselbe. Offenbar habe ich Vortritt?
Nun, es wird nicht das letzte Mal sein, dass ich durch einen Einbahntunnel fahre. Gelernt habe ich später, dass jeweils ein Schild beim Eingang den Vortritt regelt. Zudem ist es so, dass die Ausweichbuchten entsprechend der Vortrittsregel angeordnet sind. Hat man Vortritt, sind die Ausweichbuchten auf der linken Seite. Die Regelung des Vortritts ist jeweils beim Tunneleintritt und entspricht den Schildern, wie wir sie in der Schweiz bei der Fahrt über eine schmale Holzbrücke finden.
Das war aber noch nicht die letzte Überraschung in diesem Tunnel. Die Beleuchtung wird heller und der Tunnel verläuft in einer leichten Kurve nach rechts. Ich befinde mich auf einer Verzweigung des Tunnels. Rechts geht es nach Ísafjörður. Also rechts weiter, links kann ich nicht entziffern. Diese isländischen Namen! Überraschung, bis zum Tunnelende sind es nun zwei Spuren.
- Nach kurzer Zeit hat sich mein Navi von der Tunnelfahrt erholt und kann mir den Weg zum Zeltplatz weisen. Er liegt ausserhalb des Ortes am Fusse eines Wasserfalls. Er ist auf mehreren Ebenen angelegt, die durch Gebüsch Reihen abgegrenzt sind. Neben mir sind höchstens eine Handvoll weitere Camper auf dem Platz. Die Reception ist nur am Morgen und Abend geöffnet. Mache mir ein Bild von den Anlagen. Sind ganz gut. Ausser den Kochfeldern im Aufenthaltsraum. Die könnten mal eine Reinigung vertragen. Scheint mir ein guter Platz zu sein, von dem aus ich die Westfjorden erkunden kann.
In der Nacht sinken die Temperaturen. Brauche eine zweite Decke.
- Durch die Lage des Zeltplatzes scheint bereits früh die Sonne. Wärme mich auf dem Bänkchen bei der Reception auf.

- Der Supermarkt im Ort hat, entgegen den Angaben auf Google Maps, geschlossen. Kurzfristiges Alternativ Programm ist Kaffee und Gipfeli in der N1 Tankstelle.

- Ziel für heute ist das Ende der Landzunge an der Ísafjörður liegt. Schon bald mündet die Strasse in einen Tunnel. Am Ende des 5.5km langen Tunnels gelange ich in den Ort Bolungarvík. Gemäss Wikipedia wurde der Tunnel 2010 eröffnet. Die bisherige Küstenstrasse wurde häufig von Geröll und Lawinen verschüttet. Im Ort zweige ich links weg auf eine Gravelroad. Kurz darauf zweigt eine Strasse nach rechts weg. Halte an und google den Ort auf dem Wegweiser (Bolafjall). Scheint interessant zu sein. Also nehme ich die steil ansteigende Strasse in Angriff. Guter Entscheid, oben erwartet mich eine gewaltige Aussicht auf den Isafjord.

- Ich befinde mich an der nordwestlichsten Ecke von Island, die mit einem Fahrzeug zu erreichen ist. Ich denke mir, dass das nächste Land am Horizont, Grönland sein muss.
- Stahlblauer Himmel. Muss mich wieder mal richtig bewegen. Das Hochplateau lädt einem förmlich zu einer Wanderung ein. Also auf, Richtung Ende des Berges.

- Rund zwei Stunden unterwegs. Weg nicht immer einfach, da auch Geröllfeld mit spitzen Steinen passiert werden muss.
- Wieder runter vom Berg und noch an den Strand Minnibakki Beach, bevor ich wieder zurück nach Ísafjörður fahre. Camper und Bike haben wieder ziemlich Staub abbekommen und ich wasche beides an der N1 Tankstelle.
- Anderntags fahre ich zurück durch den Tunnel und nehme die Abzweigung in der Mitte des Tunnels. Bin ja jetzt der absolute Einbahntunnelexperte! Der Abzweigtunnel nach Suðureyri ist nämlich auch wieder Einbahn. Der Himmel ist bewölkt und der Ort ist nicht wirklich interessant. Am Ende des Dorfes befindet sich eine Fischfabrik, die sich rühmt, alles vom gefangenen Fisch zu verwerten und nachhaltig zu produzieren. Weiss jetzt auch, dass die getrockneten Fischköpfe, die jeweils in Nordnorwegen zum Trocknen auf den Gestellen hängen, für den Export nach Nigeria, gedacht sind.
Beim längeren Aufenthalt im Fisherman-Bistro, erfahre ich von der Bedienung, die selber Polin ist, dass ihre Landsleute die grösste ausländische Gemeinschaft stellen.

- Bleibe insgesamt 5 Nächte auf dem Zeltplatz. Nutze die Zeit um die vielen Fotos auszusortieren und abzulegen. Sowie mal die ersten Blogeinträge zu erstellen. Fahre auch noch einmal zurück durch den Tunnel, um die Gegend zu erkunden. Verlasse die Westfjorenden über die nördliche Route. Dabei müssen die Fjorde voll ausgefahren werden. Eine einzige Brücke führt über einen Fjord. Aber das ist dann nur eine Wegvariante ohne Wegersparnis.
